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Region Oschatz: Was Schüler, Eltern und Lehrer zur verlängerten Schließung der Schulen sagen / Kritik an Sachsens digitaler Lernplattform

 

 

Region. Kein Unterricht in den Klassenzimmern der Schulen bis Ende Januar, eine Woche kürzere Winterferien und Probleme mit der Technik beim digitalen Lernen mit Abstand: Die neuen Regeln in Sachsen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie treffen Schüler, Eltern gleichermaßen. Wir haben uns umgehört, was die Betroffenen dazu sagen.

Die Schülersprecherin Emily Haupt aus Neusornzig ist Schülersprecherin des Oschatzer Thomas-Mann-Gymnasiums (TMG) und bereitet sich gerade als Zwölftklässlerin aufs Abitur vor. Dass ihre Schule bis Ende Januar geschlossen bleiben soll, findet sie schwierig. Beim Lernen allein zu Hause fehle die Rückkopplung mit anderen Schülern und Lehrern. Und auch die Zeiteinteilung und Disziplinierung seien ein Problem. Zudem funktioniere die digitale Lernplattform Lernsax nicht immer. „Tagsüber muss man gucken, ob man Glück hat und etwas runterladen kann.“

Was hält die 18-Jährige von den verlegten Winterferien? „Ich finde es gut, dass es an die Osterferien drangehängt werden soll. Mich würde es aber stören, wenn wir gar keine Winterferien hätten – eine Woche wäre schon gut“ – auch, um die mentale Belastung durch die außergewöhnliche Situation zu verringern. „Wir wissen nicht, wie sieht es mit dem Abitur aus, gibt es ein Vorabitur, wann fangen die Prüfungen an?“ Diese Unsicherheit sei sehr anstrengend. Wäre es besser, das Schuljahr zu wiederholen? „Für mich persönlich wäre es eine Katastrophe, wenn ich das Jahr wiederholen müsste. Denn ich weiß: Ich würde das Abitur schaffen.“ Freiwillig wäre es aber eine gute Variante, wenn angeboten würde: Wer will, kann wiederholen.

Die Schulleiterin

„Ich bin froh, dass ich die Entscheidungen nicht treffen muss“, sagt Marion Müller als Leiterin des TMG mit Blick auf die Politik. Die Abwägung zwischen dem Schutz vor Corona und dem Anspruch, dass Schüler und Familien emotional gesund bleiben und durch diese Zeit kommen, sei schwierig. Probleme bereite derzeit die Plattform, die eigentlich ein Lernen mit Distanz ermöglichen soll. „Lernsax klemmt schon wieder“, ärgert sie sich. Wichtig ist aus ihrer Sicht, dass Schülern angesichts dieser technischen Schwierigkeiten der Druck von den Schultern genommen werde. Viele würden jetzt denken: „Ich verpasse was. Ich kriege das nicht hin.“ Deshalb müssten die Lehr- und Zeitpläne überarbeitet werden. „Das ist unsere Aufgabe.“ Mit der Entscheidung, die Winterferien zu verschieben, könne sie leben. „Das bietet die Chance, noch mal neu zu denken und auf den Lernprozess der Schüler abzustellen.“ Kann sie die Meinung Einiger verstehen, dass dieses verkorkste Schuljahr wiederholt werden sollte? „Ich habe Verständnis für solche Gedanken. Aber für die Schüler ist es ein Lebensjahr. Und wenn sie gelernt haben, allein zurechtzukommen, ist das für mich auch ein Wert. Auch diese Phase hat für mich einen riesengroßen Lerneffekt auf allen Ebenen.“

Die Elternsprecherin

TMG-Elternsprecherin Kati Kurek spürt Unruhe und Besorgnis bei allen Beteiligten. „Das ist logisch, jeder bewältigt das Lernen zu Hause anders. Eltern und Laptop ersetzen keinen Lehrer.“ Bis zum vernünftigen Online-Unterricht sei es noch ein langer Weg – und selbst wenn er umgesetzt werde, kämen nicht alle Kinder aufgrund der technischen Voraussetzungen in den Genuss.

Die Kommunikation zwischen Schulleitung und Eltern funktioniere am TMG im übrigen einwandfrei. Sie plädiert dafür, dass sich Schülerinnen und Schüler in dieser außergewöhnlichen Zeit ebenfalls gegenseitig unterstützen und einmal mehr verinnerlichen, dass die Lernzeit ihre individuelle Vorbereitung auf das Leben nach der Schule ist.

Einer Wiederholung des Schuljahres kann sie nicht viel abgewinnen. „Das bedeutet einen enormen zusätzlichen Aufwand, der angesichts ohnehin fehlender Lehrer kaum zu stemmen sein dürfte.“ Das freiwillige Wiederholen, über das jeder selbst entscheiden könne, sei der bessere Weg.

Die Gewerkschafterin

Die geplanten Maßnahmen sind aus Sicht des Kreisverbandes Collm-Mulde der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) unausweichlich – hätten allerdings eher ergriffen werden müssen. „Ab 4. November waren die Schulämter und das Ministerium zu, während die Schulen offen blieben. Nach den Herbstferien gab es die Forderungen nach kleineren Gruppen und Wechselunterricht, um die hohen Infektionszahlen zu reduzieren. Wir hoffen jetzt darauf, dass die Maßnahmen den gewünschten Erfolg bringen und appellieren an alle, sich daran zu halten“, so Vorsitzende Kerstin Staffe.

Kritisch sieht die GEW die Lernsax-Problematik. Grundsätzlich sei es eine mögliche Variante für den Distanzunterricht – wenn es funktioniert. Das sei nicht der Fall. Diesen Vorwurf müssten sich die Verantwortlichen gefallen lassen. „Immerhin war seit April Zeit, sich vorzubereiten. Passiert ist nichts.“ Hinzu käme der schwierige Internet-Zugang in ländlichen Gebieten. All das erschwere digitales Lernen enorm.

Die Verschiebung der Winterferien werde laut Staffe weitere organisatorische Probleme für Schüler, Eltern, Erzieher, pädagogische Fachkräfte und Lehrer mit sich bringen und die bestehenden Probleme nicht lösen. „Viele Eltern haben durch die häusliche Lernzeit mitbekommen, welche enorme Verantwortung Pädagogen tragen. Ich möchte Lehrern und Erziehern für ihr ungeheures Engagement in dieser herausfordernden Zeit danken.“

Der Schul-Geschäftsführer

„Ich bin froh, dass wir jetzt endlich einmal eine wenigstens mittelfristige Planung haben“, betont Tobias Leißner, Geschäftsführer des Evangelischen Werkschulvereines Naundorf, der Träger dieser freien Schule ist. Seit Dienstagabend wisse man, wie der Schulbetrieb bis Ostern vonstattengehen soll. Es werde jetzt viel darüber geredet, niemanden zu benachteiligen, allen einen Abschluss zu ermöglichen. Natürlich seien Zeugnisse oder Zertifikate möglich. „Tatsächlich fehlt aber Zeit für Bildung“, stellt Leißner fest. Deshalb wünscht er sich eine Wiederholung des Schuljahres. Auf freiwilliger Basis sei das möglich. „Die Schule ist doch auch ein Sozialraum, in dem die Kinder und Jugendlichen groß werden“, stellt er die Aufgaben jenseits der Wissensvermittlung dar. Klassenfahrten, Praktika, Theater – all das habe es in den vergangenen Monaten nicht gegeben, fehle den Heranwachsenden. „So schnell werden wir nicht zum Regelunterricht zurückkommen“, schätzt er ein. Man habe schon längst ein Lernmanagementsystem installiert – nicht Lernsax. Die Lehrer seien jedenfalls motiviert, auch wenn man, wie erstmals im Frühjahr, massive Änderungen bewältigen müsse.

 

aus: OAZ, Ausgabe 07.01.2021